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Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

Sag mir, wo die Bienen sind  

Artenvielfalt Ernährungssicherheit Insekten Tierwohl Umweltbildung Umweltschutz
Bienen-Weibchen, guckt mit Pollen bedeckt aus Niströhre im Sandboden, Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland. Dieses Bild ist nur für die Verwendung auf www.quer-feld-ein.blog lizensiert und darf nicht vervielfältigt werden. © Carola Vahldiek | Fotolia

Text: HEIKE KAMPE

Insekten sind für viele Pflanzen auf unseren Feldern und Plantagen unverzichtbar. Neben der Honigbiene kümmert sich eine ganze Armada von Wildinsekten darum, dass Blüten bestäubt werden und aus ihnen Früchte entstehen. Doch sowohl für die Bienenvölker unter der Obhut des Imkers als auch für ihre wilden Verwandten gilt: Ihre Anzahl ist rückläufig. Immer weniger Hummeln, Bienen und Schwebfliegen summen in den Obstbäumen und schwirren über die Felder. Auf der Suche nach Ursachen wurde festgestellt, dass es keine Pauschallösungen gibt, sondern der genauere Blick auf das Ökosystem Acker und seine Umgebung lohnt.

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235 bis 577 Milliarden US-Dollar: Das ist die Leistung wert, die Blütenbesucher wie Honig- und Wildbienen, Schmetterlinge, Fledermäuse oder Vögel weltweit pro Jahr erbringen. Sie transportieren den Pollen von einer Blüte zur anderen – ein Service, den die Tiere kostenlos anbieten. Die Sache hat nur einen Haken: Die Zahl der Blütenbestäuber hat in den vergangenen Jahren rapide abgenommen. Viele Arten sind in ihrem Bestand gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits unwiederbringlich verloren. Nicht nur für den Umweltschutz und die Wissenschaft ist dies ein Grund zur Sorge. Ein Teil unserer Nutzpflanzen bildet ohne Blütenbesuch keine oder deutlich weniger Früchte aus. Sterben die Bestäuber, ist auch die Nahrungsmittelsicherheit gefährdet.
Wie drängend das Problem ist, zeigt sich heute bereits dort, wo es kaum noch wildlebende Blütenbesucher gibt: In einigen Regionen Asiens bestäuben Menschen die Blüten in den Obstplantagen mit dem Pinsel. In Japan und den USA wird an Minidrohnen als Blütenbestäuber gearbeitet. Was kann die Forschung zur Rettung der Bestäuber beitragen, bevor es zu spät ist?

Ein Team des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. und des Johann Heinrich von Thünen-Instituts hat sich auf die Suche nach Antworten begeben. »Es gibt viele verschiedene Ursachen«, erklärt Karoline Brandt. »Die Wechselbeziehungen zwischen den Organismen, ihrer Umgebung, den bewirtschafteten Flächen und der Art der Bewirtschaftung sind komplex.« Fakt ist: Die Liste der Bedrohungen ist lang. Ob Monokulturen, zerstörte natürliche Lebensräume oder Pestizide – in einer intensivierten Landwirtschaft finden die Insekten immer weniger Nahrungs- und Lebensgrundlagen. Ihre Populationen werden geschwächt und sind so zusätzlich anfälliger für Krankheiten und Parasiten. Doch es sei schwierig, einzelne Ursachen genau zu quantifizieren oder präzise Aussagen über ihre Wechselwirkungen zu treffen, sagt Brandt. Denn bisher sind einzelne Einflussfaktoren überwiegend getrennt voneinander untersucht worden – mit teils widersprüchlichen Forschungsergebnissen.

Bestäuber-Zählung
Mit speziellen Schalen in Signalfarben, die auf Bienen wie Blüten wirken, werden die Bestäuber für die Zählung und Bestimmung auf den Äckern eingefangen. © Cornelia Fischer | ZALF

Mit dem Blick für das Detail

Um dies zu ändern, haben die Forscherin und ihr Team drei Jahre lang Äcker in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Bayern genauer unter die Lupe genommen. Sie hinterfragten, wie gut diese als Lebensraum für Hummel und Co. taugen. Drei Betriebe mit jeweils 15 Flächen wählten sie für ihre Untersuchung aus − zwei konventionell und einen ökologisch wirtschaftenden. Zunächst musste ermittelt werden, welche Bestäuberarten auf den Äckern in welcher Anzahl vorkommen. Von April bis Oktober wurden Insektenfallen aufgestellt und alle zwei Wochen kontrolliert. Insgesamt bestimmten Brandt und ihr Team 157 Arten. Die 23 häufigsten, die zu sechs verschiedenen Insektengruppen gehörten, analysierten sie genauer. Zugleich erfassten sie, welche Feldfrüchte zum jeweiligen Zeitpunkt wuchsen, wie hoch die Pflanzen waren, wie viel Boden diese bedeckten und welche Ackerwildkräuter vorkamen. Zusätzlich schauten sie sich die nähere Umgebung im Umkreis von einem Kilometer genauer an: Wurden auch die Nachbarflächen bewirtschaftet? Gab es Siedlungen in der Nähe? Wie hoch war der Anteil an Wald, Grünland oder an naturnahen Büschen, Hecken und Brachflächen?

Die Ergebnisse zeigen, welche Lebensbedingungen positiv auf diese Bestäuberinsekten wirken und welche Handlungsspielräume die Landwirtschaft hat, um sie gezielt zu fördern.

Hummelvölker
Viele Hummelvölker nisten in bodennahen Hohlräumen, die sie in morschem Holz, in der Moosschicht oder ehemaligen Mäusenestern vorfinden. Dieses Bild ist nur für die Verwendung auf www.quer-feld-ein.blog lizensiert und darf nicht vervielfältigt werden. © Alchemilla | Pixabay

Biene ist nicht gleich Biene

Bisher zeigen die Ergebnisse vor allem eines: Schwebfliegen, Honigbienen, Hummeln, aber auch weniger bekannte Furchenbienen, Sandbienen oder Mauerbienen – sie alle sind häufige und wichtige Gäste auf den beobachteten Flächen. Doch ihre Ansprüche an Futterquellen und Nistmöglichkeiten unterscheiden sich teils sehr stark. Während etwa Sandbienen auf einen trockenen Platz mit lockerem Boden angewiesen sind, benötigen einige Hummelarten für ihre Nester bodennahe Hohlräume. Viele Sandbienenarten sind ausschließlich im Frühjahr als Fluginsekten aktiv und brauchen dann Nahrung in Form von Pollen und Nektar. Bei der Schwebfliege ist das umgekehrt, denn sie hat erst im August Hochsaison. Hummelvölker sind dagegen vom Frühjahr bis in den Herbst hinein fliegend unterwegs – und entsprechend hungrig. »Wir müssen die Unterschiede in den Lebensweisen der einzelnen Gruppen berücksichtigen. Man kann nicht verallgemeinernd sagen, dass diese oder jene Maßnahme gut für Blütenbesucher ist«, fasst Brandt die Ergebnisse zusammen. Bevor man also in einem Gebiet Schutzmaßnahmen umsetzt, gilt es zunächst herauszufinden, welche Bestäuberinsekten dort unter natürlichen Bedingungen vorkommen, um diese dann gezielt zu fördern. »Die eine Lösung für alle gibt es nicht.«

Die Herausforderung ist es, so viele verschiedene Bestäuberarten wie möglich unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse zu schützen, denn nur so kann die benötigte Bestäubungsleistung insgesamt nachhaltig gesichert werden. So wurde zum Beispiel die Rolle der Wildbienen bisher unterschätzt. Jüngste Studien zeigen: Diese hocheffizienten Bestäuber, die meist nicht in Staaten, sondern einzeln leben, bestäuben Kulturarten doppelt so effektiv wie die Honigbiene, fliegen auch bei niedrigen Temperaturen aus und besuchen mehr Blüten.
Gerade für jene Insekten, die im Spätsommer und Herbst noch ein reichhaltiges Nahrungsangebot benötigen, ist das Überleben in der Agrarlandschaft meist schwierig. »Das Problem sind häufig sogenannte Nahrungslücken«, erklärt Brandt. Eine Rapsmonokultur bietet im Frühsommer beispielsweise drei bis fünf Wochen lang Nektar und Pollen im Überfluss. Ist der Raps aber verblüht, bricht für die bestäubenden Insekten eine magere Zeit an. Ist ein Imker vor Ort, bringt dieser die Bienenvölker dann zu ergiebigeren Nahrungsgründen. Wildinsekten steht dieser Shuttleservice jedoch nicht zur Verfügung. Nur an den Feldrändern blühende Wildkräuter oder andere blühende Kulturpflanzen retten sie dann noch vor dem Hungertod.
Dabei bieten erweiterte Fruchtfolgen, die abwechslungsreiche Nahrung über einen langen Zeitraum bereitstellen, durchaus Alternativen. Statt auf immer nur dieselben Kulturpflanzen wie Mais oder Weizen zu setzen, könnten etwa Klee, Hülsenfrüchte oder auch neue Energiepflanzen, wie die Durchwachsende Sylphie, in die Fruchtfolge eingebunden werden und eine attraktive zusätzliche Nektar- und Pollenquelle sein. Auch Blühstreifen mit ganzjährig blühenden Wildkräutern können die Nahrungslücke in der kritischen Zeit schließen.

Für die Landwirtschaft existenziell

Ein intaktes Bestäubersystem ist nicht nur für die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern vor allem auch für die Landwirtschaft existenziell. »Vielen ist bewusst, wie wichtig die Leistung der Bienen und Hummeln für ihre Kulturpflanzen ist«, weiß Brandt. »Doch häufig schrecken sie vor den strengen EU-Richtlinien zurück, wenn es um konkrete Maßnahmen geht.« Um Gelder für den Ertragsausfall zu erhalten, muss ein Blühstreifen am Feldrand, der Insekten über ihre gesamte Lebensspanne hinweg Nahrung und Lebensraum bietet, zu einem genau definierten Zeitpunkt in einer exakt vorgegebenen Breite ausgesät werden. Weicht der Bauer von den Vorgaben ab, hat er mit empfindlichen finanziellen Einbußen zu rechnen. Und auch der bürokratische Aufwand sei für die Landwirte häufig so hoch, dass sie lieber so weitermachten wie bisher. Mehr Flexibilität und Pragmatismus wünscht sich Brandt von der Politik, um den Umstieg auf eine insektenfreundliche Landwirtschaft zu erleichtern.
Die Untersuchungsergebnisse zeigen: Es gibt keine Patentlösung. Jede Umgebung hat ihre eigene Bestäubergemeinschaft, die es zu schützen gilt. Mit den gewonnenen Daten wollen die Forscherinnen und Forscher zukünftig in ökologischen Modellen vorhersagen, wie sich die Insektengemeinschaft je nach angebauter Kultur und Landschaftsmerkmalen entwickeln wird. Fest steht für Brandt jedenfalls eines: »Wenn wir die Bestäuberleistung erhalten wollen, müssen wir die Biodiversität der Landschaft sowie der Kulturarten bewahren und ihre Zusammenhänge verstehen.«

Blumenwiese
Wenn wir die Bestäuberarten schützen wollen, müssen wir die Vielfalt der Landschaft bewahren. © Cornelia Fischer | ZALF

KAROLINE BRANDT ist Diplom-Geografin. Nach ihrem Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin forschte sie ab 2011 am ZALF im Institut für Landnutzungssysteme zu verschiedenen Organismengruppen der Agrarlandschaften. Heute arbeitet sie für die NABU-Stiftung als Projektmanagerin im Projekt Fairpachten.

Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.
Ansprechpartner/in: Dr. Michael Glemnitz

Kommentieren

  1. Rainer Kirmse , Altenburg

    Sag mir wo die Bienen sind,
    Bestäubt nur noch der Wind? 😉

    Das große Summen darf nicht verstummen. 🐝
    Ein kleines Gedicht zum Schutz der Bienen:

    BIENE IN NOT

    Ohne das herrliche Insekt
    Wäre uns’re Welt nicht perfekt.
    Fleißig wirkt sie in Wald und Flur
    Für das Gedeihen der Natur.
    Des Flügelschlags nimmer müde,
    Eilt sie von Blüte zu Blüte.

    Wir genießen ihren Honig,
    Ihr Leben kümmert uns wenig.
    So kann bald nahen die Stunde,
    Da sie dreht die letzte Runde.

    Wer die Vielfalt der Arten will,
    Vermeidet den Chemie-Cocktail.
    Insekten brauchen Lebensraum,
    Lassen wir ihnen Gras und Baum.
    Auch Wirbellose sind es wert,
    Dass ihnen kein Leid widerfährt.

    Retten wir den herrlichen Wald,
    Bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    Dass sie nicht zur Wüste werde.
    Das oberste Gebot der Zeit
    Muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    Im Einklang mit der Natur leben.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

    1. Tanja Kollersberger

      Haben Sie vielen Dank für das zum Beitrag passende Gedicht, Herr Kirmse, mit herzlichen Grüßen nach Altenburg!

  2. Rolf Lang

    Hallo, Guten Tag,
    mein Anliegen ist kein Kommentar, eher eine praktische Frage.
    Ich habe in (Lese-)Erinnerung, einen Aufsatz von Ihrer Einrichtung gelesen zu haben über Zuwanderung von für uns gefährliche Mückenarten (unscharf ausgedrückt) Mückenarten; das sind solche die asiatische/afrikanische Fiebererkrankungen etc. hervorrufen.
    Darüber etwas sensibilisiert, habe ich eine mir ungewohnt erscheinende Mücke beobachtete und gefangen.
    Meine >Frage an Sie: kann mir ein Fachmensch diese bestimmen, möglicherweise ist der Fund auch für Sie von Interesse !?

    1. Tanja Kollersberger

      Vielen Dank für Ihre Anfrage. Unter http://www.mueckenatlas.com finden Sie beschrieben, wie Sie die Mücke präparieren und einsenden können. Wir melden uns dann mit einer Bestimmung bei Ihnen zurück.

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