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Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)

Insektensterben durch Lichtverschmutzung!?  

Agrarlandschaften Artenvielfalt Biodiversität Insekten Landwirtschaft Ökosystemleistungen
Wie die Motten zum Licht – ein ökologischer Effekt, nicht nur eine Redensart. Künstliche Beleuchtung entzieht den benachbarten Ökosystemen fliegende Insekten. © A. Werdan/Pixabay

Text: KATHARINA BUNK

Klimawandel, Pestizide und Landnutzungsänderungen allein können den Rückgang von Insektengemeinschaften in Deutschland nicht vollends erklären. Ein klarer Arbeitsauftrag für die Lichtverschmutzungsforscher*innen vom IGB: diese haben festgestellt, dass die Regionen, die einen starken Rückgang an Fluginsekten verzeichnen, auch unter einer hohen Lichtverschmutzung leiden.

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Die Biomasse fliegender Insekten ist um mehr als 75 Prozent zurückgegangen – diese alarmierende Zahl hat im Herbst 2017 Schlagzeilen gemacht. Die Autor*innen der „Krefelder Studie“ haben die Zahl der Fluginsekten in ausgewählten Schutzgebieten innerhalb von Landwirtschaftsflächen in Deutschland über 27 Jahre hinweg beobachtet und vermuten, dass die Veränderungen von Klima und Lebensraum für den Rückgang der Insektenpopulationen verantwortlich sind. Gleichzeitig wiesen sie darauf hin, dass diese Einflüsse allein den drastischen Rückgang noch nicht erklären können.

Ein klarer Arbeitsauftrag für die IGB-Forschungsgruppe Lichtverschmutzung. Aus früheren Arbeiten weiß das Team um Maja Grubisic und Franz Hölker, dass künstliche Beleuchtung in der Nacht die Zahl und Gemeinschaften von Insekten stark beeinflusst. Sie haben sich deshalb zunächst die Lage der Krefelder Untersuchungsgebiete angeschaut: Gebiete in Ballungszentren, die eine überdurchschnittlich hohe Lichtverschmutzung aufweisen.

Die Versuchsfelder im Naturpark Westhavelland in Brandenburg. Hier testen IGB-Wissenschaftler*innen die ökologischen Auswirkungen von Straßenbeleuchtungen. © Maja Grubisic/seeing-nature.de

Künstliche Beleuchtung in der Nacht könnte ein Grund für den Insektenrückgang sein

Kleine Insektenkunde: Die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv. Sie sind auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren und fortzubewegen oder Räubern auszuweichen. Und um ihren allnächtlichen Aufgaben wie Nahrungssuche und Fortpflanzung nachzugehen. Eine künstlich erhellte Nacht stört dieses natürliche Verhalten – mit negativen Auswirkungen auf die Überlebenschancen.

Die Wissenschaftler*innen haben alle jüngsten Einzelstudien zu den Auswirkungen von künstlichem Licht in der Nacht auf Insekten ausgewertet und festgestellt, dass Vieles für einen ernstzunehmenden Zusammenhang zwischen Lichtverschmutzung und Insektensterben spricht. Fluginsekten werden beispielsweise von künstlichen Lichtquellen angezogen – und gleichzeitig aus anderen Ökosystemen abgezogen – und sterben durch Erschöpfung oder als leichte Beute. Zusätzlich werden sie durch Lichtbarrieren in ihrer Ausbreitung gebremst. Der dadurch fehlende genetische Austausch innerhalb zergliederter Insektenpopulationen könnte deren Widerstandsfähigkeit gegen andere negative Umwelteinflüsse reduzieren, die sich in landwirtschaftlich genutzten Gebieten besonders akkumulieren.

Insekten umschwirren eine Versuchslampe. © Franz Hölker/IGB

Licht zur falschen Zeit bringt Ökosysteme aus dem Gleichgewicht

Auf Landwirtschaftsflächen – die immerhin 11 Prozent der weltweiten Bodennutzung ausmachen – bedeuten weniger Insekten aber nicht nur eine geringere Artenvielfalt, sondern auch die Gefährdung wichtiger Ökosystemleistungen: weniger Nachtfalter, Käfer und Fliegen bestäuben auch weniger Pflanzen. Auch Veränderungen im Vorkommen und Verhalten von Schädlingen wie Blattläusen oder aber deren Feinden wie Käfern und Spinnen können das eingespielte System aus dem Gleichgewicht bringen. Darüber hinaus kann künstliches Licht in der Nacht auch direkte Auswirkungen auf Wachstum und Blütezeit der Pflanzen und somit den Ertrag haben.

Die Lichtverschmutzungsforschung weiß, dass künstliches Licht in der Nacht weit verbreitet ist und komplexe Auswirkungen in landwirtschaftlichen Gebieten mit unbekannten Konsequenzen für die Biodiversität in Agrarökosystemen haben kann. Daher sollte Lichtverschmutzung in zukünftigen Untersuchungen generell als potenzieller Stressfaktor berücksichtigt werden, um – gegebenenfalls – praktische Maßnahmen zur Reduzierung dieses Umweltproblems ergreifen zu können.

 

Weitere Informationen zum Thema Lichtverschmutzung:

Erschien zuerst im/auf: Pressebereich des IGB
Institution: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)
Ansprechpartner/in: Maja Grubisic und Franz Hölker

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