In Zusammenarbeit mit:

Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)

Durstige Landschaften  

Gewässer Klimafolgen Klimawandel ländliche Räume Landwirtschaft Wasser
Ein See ist vom Ufer aus zu sehen. Im Vordergrund Schilf, im Hintergrund Wald.
Foto: Spree-Wasser:N-Projekt

Text: KRISTINA BACKHAUS

Geringe Niederschläge, sandige Böden, austrocknende Seen: Brandenburg leidet seit Jahren unter Wasserknappheit. Besonders in den letzten Jahren hat sich das Problem durch eine Verlagerung der Niederschläge weiter verschärft. Der Konflikt um die knappe Ressource Wasser ist in vollem Gange. Vorschläge für Anpassungsmaßnahmen aus der Wissenschaft reichen von einem Frühwarnsystem für Dürren bis hin zu Maßnahmen, die das Wasser länger in der Landschaft halten.

Im Juni 2023 veröffentlicht das Umweltbundesamt eine beunruhigende Studie: Durch den Kohleausstieg könnte die Spree langfristig in trockenen Sommermonaten bis zu 75 Prozent weniger Wasser führen. Für die Braunkohleförderung wird seit Jahrzehnten viel Grundwasser abgepumpt und anschließend in die Spree geleitet. Damit wäre spätestens 2038 Schluss. Führt jetzt ausgerechnet der Kohleausstieg dazu, dass uns die Spree austrocknet? War es nicht zuletzt das TESLA-Werk in Grünheide, dass durch seinen scheinbar verschwenderisch hohen Wasserverbrauch den Wassermangel in der Region verschärft? Was sagt denn die Wissenschaft dazu?

Berlin-Brandenburg steckt mitten in einer Wasserkrise. Aber nicht allen ist bewusst, dass in beiden Bundesländern schon seit über 20 Jahren das Wasser knapp wird. Weder ein Unternehmen allein noch der Wasserbrauch von Gartenkolonien und Golfplätzen sind dafür verantwortlich. »Dass Privathaushalte ihre Gärten nicht so häufig bewässern und im Haushalt Wasser sparen sollen, ist eine Alibi-Forderung«, so Prof. Irina Engelhardt, Projektleiterin von SpreeWasser:N. Das Problem sei viel größer. Auch dass die Spree weniger Wasser führen wird, sei unstrittig, aber wie viel, das wisse man noch nicht. »Im Projekt SpreeWasser:N suchen wir nicht nach Schuldigen, sondern nach Lösungen für ein großes, komplexes Problem, das es nicht erst seit gestern gibt.«

Ein Braunkohletagebau ist aus der Vogelperspektive zu sehen.
Für die Braunkohleförderung wird seit Jahrzehnten viel Grundwasser abgepumpt und anschließend in die Spree geleitet. Damit wäre spätestens 2038 Schluss. Foto: Spreewasser:N-Projekt

Zur falschen Zeit zu wenig Wasser

Schon seit vielen Jahren sind die Niederschläge in Brandenburg zu gering, um das Grundwasser stabil zu halten. Darüber hinaus verschieben sich die rund 600 Millimeter Niederschlag pro Jahr seit 30 Jahren tendenziell in den Herbst und Winter. »Eigentlich ist das für die Grundwasserneubildung nicht schlecht, hat aber wohl doch negativere Auswirkungen als zunächst angenommen«, beschreibt Prof. Christoph Merz, Hydrologe und Projektleiter von SpreeWasser:N am ZALF. Das Wasser fehlt jetzt im Frühsommer, also in der Zeit, in der die Pflanzen in der Wachstumsphase besonders viel Wasser brauchen. Das Defizit eines zu trockenen Sommers kann im nächsten Winter nicht mehr vollständig ausgeglichen werden. Hinzu kommen wärmere Winter, wodurch die Pflanzen mehr Wasser verdunsten als früher. Der Grundwasserspiegel sinkt daher seit langem kontinuierlich, vielerorts um etwa fünf Zentimeter pro Jahr. Davon zeugen nicht zuletzt schrumpfende Gewässer in Brandenburg, wie der Straussee oder der Groß Glienicker See. Wenn es dann doch einmal regnet, bedeutet das kein Aufatmen: Selbst nach den stärkeren Niederschlägen, wie z. B. Anfang August 2023, zeigte keiner der für das Projekt in tieferen Bodenschichten installierten Feuchtesensoren eine Reaktion. Das Wasser verdunstete einfach, bevor es versickern konnte. Besserung in Sicht? Unwahrscheinlich. Lösungen? Kompliziert. »Nimmt man an einer Stelle Wasser weg, fehlt es an anderer Stelle. Wir müssen uns immer fragen, wie sich eine bestimmte Maßnahme auf das Gesamtsystem auswirkt«, sagt Merz.

Das Wasser muss in den Untergrund

»Ich werde oft gefragt, warum wir nicht einfach alles renaturieren, also Landschaften in einen möglichst natürlichen Zustand zurückversetzen. Aber so einfach ist das nicht«, erzählt Engelhardt. Wenn beispielsweise Wasser in Auen abgeleitet wird, verdunstet dabei viel Wasser, gelangt also nicht ins Grundwasser und geht damit aus Projektsicht verloren. »Es ist nicht unser Ziel, Wasser irgendwie in die Landschaft zu bringen. Das Wasser muss in den Untergrund!«

Die Mission von SpreeWasser:N ist es daher, ein ganzheitliches Wasserressourcenmanagement zu entwickeln, das die vielfältigen Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer in der Region und die Herausforderungen des Klimawandels gleichermaßen berücksichtigt. Dazu entwickeln Forschende an zehn Forschungs- und Partnereinrichtungen seit August 2022 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Instrumente, Strategien und Handlungsoptionen.

Das ZALF ist für zwei Arbeitspakete verantwortlich. Zum einen entwickelt die AG Hydrologie und Wassermanagement Vorschläge und Maßnahmen, um das Wasser besser in der Landschaft zu halten. Die so genannte »Schwammfunktion der Landschaft« soll verbessert werden. Dabei geht es einerseits um oberflächennahes Wasser, das kontrolliert so lange in Mulden und Gräben gehalten werden soll, bis es in das Grundwasser versickern kann, statt, wie bislang üblich, möglichst schnell in Richtung des nächsten Flusses weggeleitet zu werden. Auch Sölle, kleine meist kreisförmige Miniteiche in der Landschaft und andere Feuchtgebiete können dazu beitragen, den Wasserrückhalt in der Landschaft zu erhöhen. Das Wasser wird dort länger gespeichert und verbessert die Grundwasserneubildung. Interessant für die Landwirtschaft ist der Rückhalt von Regenwasser, um den Grundwasserverbrauch beim Bewässern der Felder zu verringern. Weiterhin prüfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob sich auch gereinigtes Abwasser zur Bewässerung eignen könnte, zum Beispiel für Energiepflanzen wie Raps, die weder Menschen noch Tieren als Nahrungsmittel dienen. Bislang landet gereinigtes Abwasser überwiegend in den Flüssen.

Ein Ausflugsdampfer fährt über den See.
Die Talsperre Spremberg dient der Aufstauung der Spree, dem Hochwasserschutz, Brauchwasserversorgung und der Naherholung. Foto: Spreewasser:N-Projekt

Wasser als Gefahr

Der Grundwasserleiter, ein Gesteinskörper im Boden, der Grundwasser speichert und weiterleitet, ist ein weiterer, wichtiger Forschungsschwerpunkt der Arbeitsgruppe. Im Gegensatz zum oberflächennahen Wasser ist der jedoch schwerer zu beeinflussen. »Wasser wurde jahrelang als Gefahr betrachtet, zum Beispiel im Kontext von Hochwasser und Überschwemmungen«, erklärt Merz. »Deshalb ist das gesamte hydrologische System auf Entwässerung ausgelegt.« Das soll sich nun ändern und dafür braucht es neben Regen und praktischen Maßnahmen auch gute Modelle, über die der Weg des Wassers durch die Landschaft abgebildet werden kann. Eine wichtige Frage ist: Wie viel Sickerwasser landet tatsächlich im Grundwasser? Wie weit wirkt sich das auf die Grundwasserstände aus? Das Team um Christoph Merz arbeitet mit Computermodellen, die diesen Prozess unter natürlichen Rahmenbedingungen so präzise wie möglich abbilden. Ein weiteres Ergebnis des Projekts wird eine webbasierte interaktive Karte sein, mit der zum Beispiel Kommunen, Behörden und Wasserversorger geeignete Flächen in der Region identifizieren können, auf denen sich Maßnahmen zum Wasserrückhalt und Versickerung, d. h. zur künstlichen Grundwasseranreicherung, lohnen.

Das zweite große Paket des ZALF ist ein Frühwarnsystem für Dürren in der Landwirtschaft. Aufbauend auf langjährigen Vorarbeiten am ZALF entwickelt ein Team ein System, basierend auf Satellitendaten und langfristigen Wettervorhersagen. Im besten Fall warnt dieses System vor Ernteausfällen mehrere Monate im Voraus und mit hoher Genauigkeit. Damit bliebe den Landwirtinnen und Landwirten genügend Zeit, um auf Basis der Empfehlungen des Tools zu entscheiden, auf welchen Feldern sich eine Bewässerung am meisten lohnt. Prototypen für das Dürrefrühwarnsystem wie für das Tool zum Speichermanagement von Wasser in der Landschaft sollen bis zum Projektende im Sommer 2025 zur Verfügung stehen.

Worauf man sich also einstellen muss: Die Wasserkrise ist hier, um zu bleiben, Kohle und E-Autos hin oder her. Allerdings können Länder, Kommunen und auch die landwirtschaftliche Praxis Maßnahmen ergreifen, damit sich die Krise nicht verschärft. SpreeWasser:N schaft für diese wichtigen und notwendigen Entscheidungen eine wissenschaftliche Grundlage.

Erschien zuerst im/auf: FELD - Forschungsmagazin des Leibniz-Zentrums ZALF (Ausabe 01/2024)
Institution: Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Ansprechpartner/in: Prof. Dr. Christoph Merz

Newsletter abonnieren

Vier- bis sechsmal jährlich informieren wir über Fakten, News und Ideen rund um die Landwirtschaft der Zukunft.